Fliegerei im Kleinformat
Gewissenhaft und bestens gelaunt bereitet Tom Wulf seine französische Druine Turbulent für den Flug vor. Blickt noch einmal in den weiten Himmel und legt sich die Steuereinheit mithilfe von Gurten um Nacken und Schultern. Auch die Pilotenbrille darf dabei nicht fehlen. Angetrieben mit Elektroakkus, saust seine geflügelte Konstruktion über die 80 Meter lange Kunststoffpiste, bevor das Flugzeug schliesslich abhebt. Die Freude ist dem 50-jährigen Huttwiler anzusehen, und er schwärmt: Ein Leben ohne die Modellfliegerei könne er sich nicht mehr vorstellen. «Modellfliegen ist für mich wie eine Sucht.»
Monatelang am Basteln
Der gebürtige Wyssacher ist seit seiner Kindheit mit der Fliegerei verbunden. Im Alter von sieben Jahren bekam er vom Vater ein Segelflugzeug geschenkt. «Damit hat alles angefangen», erinnert sich Tom Wulf. Dabei habe auch er in den Anfängen zahlreiche Modelle geschrottet – braucht es zum Steuern eines Fliegers doch durchaus gewisse technische Grundkenntnisse. An sich, betont Wulf, komme man in der Materie allerdings schnell zurecht.
Vieles hat sich verändert in seinem Leben seit jenen ersten Flugversuchen mit dem Vater. So seien etwa die Elektroantriebe gegenüber den Verbrennungsmotoren heute eindeutig in der Überzahl. Seiner Freude an der Fliegerei hat das freilich keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: Bei der Modellfluggruppe Huttwil ist der gelernte Sanitärinstallateur inzwischen seit 25 Jahren mit dabei. Monatelang baut er jeweils an seinen Flugzeugen, verbringt so rund drei Abende pro Woche in seiner Werkstatt.
Seine Sammlung zählt mittlerweile über 60 Flugzeuge, rund ein Drittel davon hat er selber gebaut. «Das Modellfliegen bietet einen tollen Ausgleich zum stressigen Berufsalltag und verleiht mir das Gefühl von Freiheit», sagt Wulf. Zwar handle es sich um einen Einzelsport, sagt er, während das Flugzeug wieder auf der Landebahn aufsetzt. Gerade an Zusammenkünften wie der heutigen kämen aber auch die familiären Ausprägungen des Vereinslebens zum Tragen.
Eine Männerdomäne
Zahlreiche Tricks und Kunststücke können die Besucherinnen und Besucher an diesem 15. Eigenbautreffen der Modellfluggruppe Huttwil bestaunen. Mal lassen die Piloten ihre Flugzeuge wie Schwalben an Ort und Stelle fliegen. Mal steuern sie ihre Flieger senkrecht in den Himmel hinauf, lassen sie in der Luft umherwirbeln, um sie bald wieder butterweich auf der Landebahn aufzusetzen. «Man muss jederzeit die Kontrolle über sein Modellflugzeug haben», sagt Wulf. Aus Sicherheitsgründen ist die Piste auf dem Huttwilerberg mit einem Netz vom Zuschauerbereich getrennt.
Auch Piloten aus dem Ausland sind angereist. Was auffällt: Es sind ausschliesslich Männer, die ihre Flieger in Huttwil steigen lassen. «Die Frauen helfen in unserem Verein immer gerne im Hintergrund mit, aber eine Pilotin haben wir derzeit nicht unter den Mitgliedern», bestätigt Wulf. Wobei diese natürlich jederzeit willkommen seien.
Das Grossprojekt
Rund zweimal die Woche ist Tom Wulf am Fliegen. «Früher war ich noch bei jedem Wetter auf dem ‹Berg›. Aber im Alter wird man eher zum Schönwetterflieger», sagt er mit einem Schmunzeln.
Schliesslich beschäftigt ihn in der Werkstatt bereits das nächste Projekt: ein Venom-Kampfjet. Mit seinem charakteristischen Doppelleitwerk und den stromlinienförmigen Flügeltanks war dieser Jet in den 1950er-Jahren der Stolz der Schweizer Luftwaffe. Diesen will Wulf jetzt im Massstab 1:4 nachbauen. Ein «Megaprojekt», bei dem er auch auf die Unterstützung von Vereinspräsident Sandro Tanner zählen kann. «An diesem Flieger werden wir zusammen rund 2000 Stunden beschäftigt sein», sagt der Modellflugzeugbauer. Bis der Kampfjet dereinst in der Luft ist, wird es also noch mehrere Monate dauern.